Halb Deutschland bald ohne Trinkwasser

Deutschland gilt als eines der wasserreichsten Länder der Welt. Gemäß einem Forschungsbericht des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) kann das aber nicht verhindern, dass Haushalten in weiten Teilen des Landes bald das Trinkwasser ausläuft. In 201 von 401 Landkreisen wird im Augenblick mehr Grundwasser entnommen, als angesammelt werden kann. 94 Kommunen erleben bereits einen akuten Grundwasserstress, der dazu führen kann, dass die Wasserhähne abgedreht werden müssen. Schuld an dem Wasserstress hat nicht nur der Klimawandel, sondern auch gesellschaftliche und industrielle Veränderungen der letzten Jahre.  

Halb Deutschland in Notlage 

„Auf Basis der uns vorliegenden Daten finden wir Grundwasserstress in nahezu allen Landesteilen“, sagt Wasserforscher Robert Lückeneier, Leiter des Forschungsfelds Wasser und Landnutzung am ISOE. „Wir sehen, dass in den grundwassergestressten Landkreisen überwiegend Grundwasserentnahmen für die öffentliche Trinkwasserversorgung stattfinden.“ Besonders betroffen von der Wasserknappheit sind Hessen, Brandenburg und Teile von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wo das Grundwasser oft über hunderte Kilometer hinweg in die Großstädte transportiert wird, um dort die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten. Neben der Trinkwasserentnahme sind die Industrie und die Landwirtschaft für den gravierenden Wassermangel verantwortlich. Im Ruhrgebiet haben zum Beispiel die Kohlewerke jahrzehntelang Grundwasser umgeleitet, um die ober- und unterirdischen Braunkohlewerke trocken zu halten. In Ludwigshafen sorgt die chemische Industrie dafür, dass der Grundwasserspiegel kontinuierlich zu tief liegt, und im Heidekreis ist der Pegel auf einem gefährlichen Stand, weil die Landwirtschaft zu viel für die Bewässerung entnimmt. Die Pläne der Bundesregierung, riesige neue Datenzentren über das ganze Land hinweg bauen zu lassen, werden die Situation noch verschlimmern, da deren Betrieb von enormen Mengen von Wasser abhängig ist. 

Sofortiges Handeln notwendig 

Um eine Dürrekatastrophe in Deutschland zu vermeiden, schlägt die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung mehrere Maßnahmen vor, die ab sofort umgesetzt werden sollten. Dazu gehören eine größere Kontrolle über Ewigkeitschemikalien wie PFAS, Pestizide, Nährstoffe und Arzneimittel­, die im Augenblick die Gesundheit der Bundesbürger gefährden und die Wasserversorger belasten. Außerdem müssen die Wasservorräte wieder aufgefüllt werden. Dies kann durch die Sicherung von humusreichen Böden, naturnahen Wäldern und Flüssen, strukturreiche Auen, nasse Moore und soge­nannte Schwammstädte geschehen, damit der Boden die Nieder­schläge wieder besser halten kann. „Wasser ist unsere Lebensgrundlage. Es wird verschmutzt und ist knapp. Höchste Zeit, dass die Regierung aktiv wird und unser Grundwasser schützt. Der Verbrauch muss runter. Und Landschaften müssen so wiederhergestellt werden, dass sie Trockenperioden und Starkregen abfedern“, sagt die Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. Verena Graichen über den Bericht.