Hendrik Streeck entfacht Pharma-Debatte: Sind Medikamente für ältere Patienten ein Luxus?

Das Gesundheitswesen in Deutschland ist angeschlagen wie nie zuvor und Politiker müssen schleunigst Lösungen finden, um die gesetzlichen Krankenkassen vor dem Ruin zu bewahren. Dabei kommen vermehrt Vorschläge zu umstrittenen Maßnahmen ins Gespräch, die dazu führen sollen, den Krankenkassen Geld zu sparen. Neben Krankenhausaufenthalten zählen Medikamente, besonders für Langzeiterkrankte, zu den größten Ausgaben im Gesundheitswesen. Tabletten, wie klein auch immer, werden heutzutage zu Wucherpreisen von pharmazeutischen Unternehmen verkauft, und gerade hier soll jetzt gespart werden.

„Es gibt einfach Phasen im Leben, wo man bestimmte Medikamente auch nicht mehr einfach so benutzen sollte“: Eine Aussage des renommierten Gesundheitsbeauftragten Hendrik Streeck sorgt derzeit für Aufruhr: Sollten ältere Patienten keinen Zugang mehr zu teuren Medikamenten haben? Die Frage erhitzt die Gemüter. Eine drastische Maßnahme, die dem Gesundheitswesen Millionen Euro einsparen könnte, aber was genau würde das bedeuten, und wie um alles in der Welt ist Hendrick Streeck auf diese Idee gekommen?

Der Gesundheitsbeauftragte Hendrik Streeck hat mit seiner aktuellen Kritik an den hohen Medikamentenkosten für ältere Menschen eine lebhafte Debatte in Politik, Pharmaindustrie und bei Patientenschützern ausgelöst. Angesichts der demografischen Entwicklung und steigender Ausgaben im Gesundheitswesen hinterfragt Streeck, ob es in Zukunft noch vertretbar sei, allen Seniorinnen und Senioren teure, zum Teil nur marginal wirksamere oder rein lebensverlängernde rezeptpflichtige Medikamente zu verschreiben. Seine Aussagen treffen einen sensiblen Punkt im gesellschaftlichen Diskurs und werfen grundlegende Fragen über Patientenrechte, medizinische Ethik und die künftige Gesundheitspolitik auf.

Aktuelle Reformbestrebungen und finanzielle Herausforderungen im Gesundheitssystem

Das deutsche Gesundheitssystem steht, nicht zuletzt durch die fortschreitende Überalterung der Gesellschaft, inzwischen massiv unter finanziellem Druck. Bereits dieses Jahr traten spürbare Änderungen in Kraft, die auf Beitragserhöhungen in der Krankenversicherung und Leistungsanpassungen hinauslaufen. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) musste 2024 ein Defizit im Milliardenbereich hinnehmen. Nun müssen weitere Reformschritte kommen, die die kurz- wie langfristige Sicherung der Finanzierbarkeit und einen gerechten Zugang zu Versorgungsleistungen zum Ziel habenBMG.
Viele Experten betonen, dass die steigenden Ausgaben insbesondere bei hochpreisigen, innovativen Arzneimitteln begrenzt werden müssen, ohne die notwendige Versorgung der Seniorengesundheit zu gefährden. Die Bundesregierung setzt dabei auch auf strukturelle Gesundheitsreformen, die u.a. die Digitalisierung und eine stärkere Koordination ärztlicher Leistungen im Blick habenvdek.

Jahr Ausgaben Medikamente (GKV in Mrd. €) Anstieg zum Vorjahr Beitragssatz GKV (%)
2022 47,3 +3,6 % 15,9
2023 51,9 +9,7 % 16,2
2024 (geschätzt) ca. 55,5 +6,9 % 16,6

Wie die obige Tabelle zeigt, steigen die Medikamentenkosten und der Beitragssatz der GKV Jahr für Jahr deutlich an. Besonders im Bereich der rezeptpflichtigen Medikamente machen seltene, neuartige Therapien und sogenannte Orphan Drugs einen erheblichen Kostenanteil aus.

Streecks Begründung: Innovation, Gerechtigkeit und Nutzenbewertung

Hendrik Streeck begründet seine Skepsis gegenüber immer höheren Ausgaben für neue Arzneimittel insbesondere mit folgenden Argumenten:

  • Begrenzte Wirksamkeit teurer Medikamente: Viele neue Medikamente bringen älteren Menschen in der Lebensverlängerung nur wenige zusätzliche Monate, während die Kosten je Patient teils sechsstellig sind.
  • Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft: Im Umlagesystem der Krankenversicherung müssen auch jüngere Beitragszahler diese hohen Kosten mittragen, was die Generationengerechtigkeit belastet.
  • Fehlende Hebelwirkung auf das gesamtgesellschaftliche Wohl: In der Altersvorsorge und in der Prävention sieht Streeck eine größere Wirkung für die Bevölkerungsgesundheit als bei immer neuen Hochpreis-Medikamenten.
  • Bedeutung der Nutzenbewertung: Der medizinische Zusatznutzen eines neuen Medikaments im Vergleich zur etablierten Standardtherapie müsse noch kritischer und transparenter bewertet werden. Dies fordert auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Laut renommierten Quellen wie Der Spiegel gibt es bereits Fälle, in denen Krebspatienten Medikamente im Wert von über 100.000 Euro erhielten, ohne dass das Überleben deutlich verbessert werden konnte. Diese Praxis wird von Streeck und auch von Teilen der Politik infrage gestellt.

Was würde ein Umdenken für ältere Patienten bedeuten?

Der Vorschlag von Streeck, künftig nicht mehr jedem älteren Patienten automatisch das neueste und teuerste Medikament zu verschreiben, ruft bei Betroffenen, Ärzteschaft und Patientenverbänden Verunsicherung hervor.
Einige mögliche Konsequenzen wären:

  • Striktere Verordnungskriterien: Die Arzneimittelsicherheit und der etwaige Zusatznutzen könnten künftig noch strenger in Leitlinien und Erstattungsentscheidungen einfließen. Gerade bei älteren Menschen, die häufig mehrere Medikamente einnehmen (Polypharmazie), ist die Abwägung zwischen Risiko und Nutzen entscheidend.
  • Stärkere Einzelfallprüfung: Patientenrechte hinsichtlich individueller Bedarfe dürften diskutiert werden. Ärzte müssten ihre Therapieentscheidungen umfassend begründen, um sowohl medizinischen als auch ökonomischen Vorgaben gerecht zu werden.
  • Diskussion um Lebensqualität vs. Lebenserhaltung: Es stellt sich die ethische Frage, ob geringe Lebensverlängerungen bei hohem Preis und oft erheblichen Nebenwirkungen für ältere Menschen noch als gesellschaftlich vertretbar gelten.
  • Belastung durch Eigenanteile: Während die Krankenversicherung viele Kosten übernimmt, könnten Eigenanteile für nicht unbedingt medizinisch notwendige, aber gewünschte Medikamente steigen.

Gleichzeitig betont die Politik (siehe aktuelle Reformvorschläge etwa im Bundestag), dass Patientenrechte gewahrt bleiben müssen – ein “Abschneiden” von Medikamenten aus rein ökonomischen Erwägungen stößt auf erheblichen WiderstandBundestag.

Die Rolle von Pharmaindustrie und Gesellschaft: Erfahrungsberichte und Standpunkte

Die Pharmaindustrie warnt vor einer Abkehr von Innovationsfreude in Deutschland. Mit Blick auf Hochpreismedikamente steht das Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit im Zentrum. Hier einige Stimmen aus der Praxis:

Dr. med. Thomas B., Onkologe: “Im Klinikalltag erleben wir, dass teure neue Medikamente oft der letzte Strohhalm für ältere, schwerkranke Patienten und ihre Angehörigen sind. Ihnen pauschal diese Hoffnung zu verwehren, wäre aus meiner Sicht nicht vertretbar. Aber ja, die Abwägung zwischen Kosten, Wirkung und Lebensqualität muss noch kritischer diskutiert werden.”

Gertrud R., 73 Jahre, Patientin mit Herzinsuffizienz: “Mein neues Medikament kostet angeblich sehr viel Geld. Mir hat es sehr geholfen, aber ich weiß auch, dass nicht jeder in meiner Lebenssituation noch so viel davon profitiert. Ich finde es wichtig, abwägen zu können. Es sollte keine Altersgrenze geben.”

Prof. Sabine Klein, Gesundheitsökonomin: “Eine nachhaltige Gesundheitsreform gelingt nur, wenn Kosten, Nutzen und Gerechtigkeit immer wieder neu austariert werden. Die Debatte um hochpreisige Medikamente für Seniorinnen und Senioren ist überfällig – aber die Umsetzung braucht Dialog, Transparenz und klare Kriterien.”

Im europäischen Vergleich zeigen sich unterschiedlich strenge Regelwerke bezüglich Erstattung und Nutzenbewertung. Deutschland steht dabei vor der Herausforderung, sowohl internationale Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaindustrie als auch den sozialen Ausgleich im Blick zu behalten.

Land Medikamentenkosten älterer Menschen (Ø pro Patient/Jahr) Nutzenbewertung durch unabhängige Institute? Anteil privater Zuzahlungen (%)
Deutschland ca. 2.350 € Ja (IQWiG/GBA) 14
Frankreich ca. 2.100 € Ja (HAS) 16
Großbritannien ca. 1.800 € Ja (NICE) 8
Italien ca. 1.400 € Ja (AIFA) 18

Die Erfahrungsberichte zeigen: Viele Seniorinnen und Senioren möchten weiter individuell behandelt werden, wünschen sich aber auch eine ehrliche Kommunikation über Kosten und Nutzen ihrer Therapie. Im Gespräch mit Ärzten und Apothekern wächst das Bewusstsein, dass Arzneimittelsicherheit und individuelle Lebensqualität mindestens ebenso wichtig wie technische Machbarkeit sind.

Konkrete Anleitung: Was sollten ältere Patientinnen und Patienten jetzt tun?

  1. Informationsgespräch beim Hausarzt: Lassen Sie sich Unterschiede von neuen zu bewährten rezeptpflichtigen Medikamenten genau erläutern. Sprechen Sie offen Nebenwirkungen, Kosten und Alternativen an.
  2. Blick in die Krankenversicherungspolice: Fragen Sie gezielt nach Eigenanteilen und Erstattungsgrenzen. Viele Kassen bieten spezielle Beratungen für Seniorengesundheit oder chronisch Erkrankte an.
  3. Zweite Meinung einholen: Nutzen Sie das Recht auf eine zweite Meinung bei schwerwiegenden Erkrankungen oder teuren Behandlungen.
  4. Patientenrechte wahrnehmen: Informieren Sie sich zum Sozialgesetzbuch (SGB V) und nehmen Sie Hilfsangebote von Patientenorganisationen in Anspruch (Patientenrechte.de).
  5. Arzneimittelsicherheit beachten: Nutzen Sie die Apothekenberatung und lassen Sie regelmäßig den Medikationsplan überprüfen.

Die anstehende Debatte um den Umgang mit hochpreisigen Medikamenten wird die deutsche Gesundheitspolitik und die öffentliche Diskussion weiter prägen. Wichtig ist, dass alle Beteiligten gemeinsam tragfähige und faire Kompromisse suchen, um einerseits die Innovationskraft der Pharmaindustrie zu sichern, andererseits aber auch die Seniorengesundheit und Patientenrechte nicht aus dem Blick zu verlieren.

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Oskar Herbert