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Experten erstaunt über das “Wunder von Madrid”

Im einstigen Corona-Epizentrum sind Bars und Restaurants voll und doch sinken die Infektionszahlen. Was Madrid anders macht, ist offensichtlich. Die reale Wirkung davon ist jedoch umstritten.

Madrid: Im großen Corona-Herd Europas sinken die gemeldeten Infektionszahlen seit Wochen trotz laxer Politik. Im September registrierte die spanische Hauptstadt 813 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen 14 Tagen. Während es im Rest Europas danach erst richtig losging, meldet Madrid nun eine unglaubliche Abflachung der Kurve. Der 14-Tages-Inzidenz betrug zuletzt nur noch 328. Der Sieben-Tage-Inzidenz, der auch in Deutschland verwendet wird, fiel von Mittwoch auf Donnerstag von 161 auf 152. Bessere Werte hat das ganze Land nur auf den Kanaren, die als letzte intakte Touristenregion Europas gelten.

Spanische Zeitung sprechen daher vom „Wunder von Madrid“. Auch einige deutsche Zeitungen schließen sich dem an. Experten sind bisher zurückhaltend in ihrer Einschätzung.

Was macht Madrid anders?

Die allgemeinen Corona-Regeln in der spanischen Hauptstadt sind deutlich lascher als in vielen anderen Metropolen Europas. Bars und Restaurants sind geöffnet bis 24 Uhr. Anstatt die gesamte Stadt zu isolieren, setzt die konservative Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso auf Antigentests und die Abriegelung einzelner Bezirke. Durch die schnellen Antigentests werden kleine Bezirke ausfindig gemacht, die gerade hohe Infektionszahlen haben und sofort abgeriegelt. Dort beginnt die Sperrstunde dann um 22:00 und ohne triftigen Grund darf niemand den Bezirk verlassen oder betreten. Aufgrund der neuen Infektionszahlen wurden am Freitag bereits 10 der 32 Sperrgebiete wieder entriegelt. Antigentests gelten als weniger präzise als PCR-Tests, dafür sind sie schneller.

Zahlen schöngerechnet?

Einige spanische Medien wollen nicht an das „Wunder von Madrid“ glauben. Die spanische Online-Zeitung “eldiario.es” behauptet, in Madrid werde die “reale Zahl von Neuinfektionen gefälscht”. Werte würden teilweise verspätet gemeldet, um den 14-Tage-Inzidenz-Wert zu verzerren, behauptet das Portal.

Auch die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet über Ungereimtheiten: Die Münchner Redaktion wundert sich, dass in Madrid “in den vergangenen Wochen die Zahl der PCR-Tests auf etwa ein Drittel heruntergefahren” wurden und durch Antigentests ersetzt worden seien. Laut „Stern“ könnten durch Antigentests “asymptomatische Fälle übersehen” werden.

Das Wunder in den Krankenhäusern

Ayuso verteidigt sich gegen derartige Kritik mit Berufung auf die Situation in den Krankenhäusern. Auch hier sei Entlastung spürbar. “Die niedrigeren Zahlen bei den Aufnahmen von Covid-19-Kranken sind eine Realität”, sagt Saúl Ares, Biotechnologie-Chef im Obersten Rat für Wissenschaftliche Forschung (CSIC).

Der „Stern“ zitiert eine Quelle mit Berufung auf Regierungsdokumente, wonach tausenden alten Madrilenen „die Verlegung in Hospitäler verwehrt“ wurde. Diese Quelle rechnet mit 7300 Verstorbenen, die in keiner Corona-Statistik auftauchen, weil sie nie getestet worden sind.

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Sara Breitner